Robo Advisor sind in aller Munde. Doch was können sie zum jetzigen Zeitpunkt leisten – und was nicht? Ralf Heim von Fincite und Nicholas Ziegert von W&Z Fintech über Grenzen und Visionen der digitalen Vermögensberatung.
Robo Advisor werden heute den Erwartungen an ihren Namen nicht gerecht. Sie digitalisieren eher den Fondsvertrieb oder bestenfalls die vollstandardisierte Vermögensverwaltung, mit denen Kundengelder über Algorithmen gesteuert angelegt werden. Dies wird auch als „2nd Generation Robo Advice“ bezeichnet. In den meisten Fällen sind dies aufsichtsrechtlich Vermögensveraltungsstrukturen. Eine Beratung, auf dessen Basis der Kunde individuelle Anlageentscheidungen trifft, findet nicht statt.
Dabei hat moderne Technologie die Möglichkeit, ein hohes Maß an Komplexität zu bewältigen: Wir können Konten und Depots mit wenigen Knopfdrücken digital erfassen, Vermögenswerte bewerten und so die Finanzlage des Kunden vollständiger und präziser in Sekunden erfassen als ein Finanzberater aus Fleisch und Blut es in vielen Stunden erreichen könnte.
Warum sind wir dann noch so weit von wertvollen digitalen Beratungsprozessen entfernt?
Die ersten Gehversuche der Robo Advisor sind bereits ein großer Mehrwert in einer Industrie, deren großer Digitalisierungsfortschritt noch aussteht.
Über optisch hochwertige Apps wird der Kunde nach seinen Anlagezielen und seiner Risikopräferenz befragt und kann seine Anlagesumme festlegen. Alles Weitere übernimmt die Anlagemaschine. Beispiele in Deutschland für solche Applikationen sind Scalable, Vamoo und Whitebox aus dem Fintech-Bereich und Robo Advisor der Banken wie Cominvest, Easyfolio oder Warburg Navigator.
Der Kunde muss nach der anfänglichen Befragung keine weiteren Entscheidungen mehr treffen. Der menschliche Vermögensverwalter wird durch eine Software ausgetauscht. Das Angebot ist oft transparenter und kosteneffizienter als die Offline-Alternative. Ein Aspekt, der bei sinkenden Renditen eine immer höhere Bedeutung erlangt.
In der zweiten Generation der digitalen Vermögensverwalter sind auch anspruchsvollere Risikomanagementmodelle Teile der digitalen Vermögensverwaltung, wie etwa die Value-at-Risk-Methode. Hier helfen die Algorithmen dabei, das Portfolio „in Balance zu halten“, auf die Zielerreichung hinzuwirken und Emotionen bei der Entscheidungsfindung auszuschalten.
Die Technologie hat somit bereits wichtige Stufen der Wertschöpfung abgebildet: Wir glauben jedoch, dass erst die dritte Generation der Robo Advisor echtes Beratungsniveau erreicht.
Lassen Sie uns dazu einen Blick auf die herkömmliche Beratung im Privatkundengeschäft werfen.
Anlageberatung wird heute von unterschiedlichen Berufsgruppen, wie zum Beispiel Vermögensverwaltern, Private Bankern, Financial Plannern, Finanzvertrieben oder Fonds-Emittenten angeboten. Die Komplexität der Beratung unterscheidet sich je nach angebotenem Produktuniversum und der Zielgruppe. Zur Vereinfachung übernehmen wir hier die Perspektive des Private Bankings.
Der Private Banker ist angehalten, anleger- und anlagegerecht zu beraten. Dies beginnt mit einer möglichst umfassenden Aufnahme des Vermögens des Kunden, die damit verbundenen Erfahrungen mit einzelnen Finanzprodukten sowie die Formulierung der Ziele.
In der Praxis stößt der Berater schon bei der Aufnahme aller Vermögenswerte an gewisse Grenzen, weil die Kunden entweder nicht alle Vermögensteile aufführen wollen oder können. Die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) toleriert es, dass der Kunde unvollständige Angaben machen kann, und pocht nur auf die Pflicht der Berater, die richtigen Fragen zu stellen.
In einem weiteren Schritt werden die Vermögensverhältnisse analysiert. Veränderungsbedarfe im Hinblick auf die vom Kunden geäußerten Ziele werden aufgedeckt. Stimmt der Kunde der neuen Vermögensallokation zu, sucht der Berater das passende Finanzprodukt heraus und schlägt es vor. Dies setzt auf der Seite des Beraters voraus, dass die Analysefähigkeit und der Zugang zu einem ausreichenden Universum von passenden Finanzprodukten bestehen.
Am umfassendsten gehen hier heute die Financial Planner vor, die jedoch für ihre Analyse mehrere Arbeitstage – zu entsprechenden Kosten – einplanen müssen. Die klassische Bankberatung verkürzt diesen Prozess und konzentriert sich häufig auf den Bereich liquider Vermögenswerte. Man sieht also, dass qualitativ hochwertiger „Advice“ in der Offline-Welt nur mit sehr viel Aufwand umsetzbar ist.
Was also müsste ein echter Robo Advisor können? Zunächst nimmt der echte Robo Advisor eine digitale Bestandsaufnahme des Gesamtvermögens vor. Dazu zählen Konten und Depots sowie weitere Vermögenswerte wie Immobilien, Firmenanteile, Versicherungen und andere alternative Investments. Konten und Depots können mittlerweile über Multibankingfunktionen und andere Assetklassen über entsprechende Schnittstellen zu Datenbanken von Immobiliendienstleistern, Versicherern oder Ähnlichem angebunden werden.
Dann wird ein Profil aus den Vermögensgegenständen, dem Lebensmodell des Kunden (Einnahmen, Ausgaben und Ziele) sowie den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden ermittelt. Der Robo Advisor kann dies zu großen Teilen aus den Vermögenswerten sowie Konto- und Depotbewegungen herauslesen.
Der echte Robo Advisor bestimmt die richtige Asset-Allokation, das heißt welchen Anteil des Vermögens der Kunde in Aktien, Anleihen, Immobilien oder in einer Rentenversicherung halten sollte. Anschließend kann er nun berechnen, wie die aktuelle Asset-Allokation von derjenigen abweicht, die den aktuellen Zielen am dienlichsten ist.
Weiter geht es damit, dass der Robo Advisor aus einem umfassenden Produktuniversum die für die gewählten Vermögensklassen passenden Finanzprodukte auswählt. Dies ist auch heute schon der Wunsch der Kunden. Bisher kommen meist nur Kunden der sogennanten Family Offices in den Genuss einer umfassenden Produktauswahl. Denn Family Office Kunden beanspruchen das Beste aus dem weltweiten Angebot und sind auch bereit, diese Auswahldienstleistung zu bezahlen.
Der Robo Advisor der dritten Generation übernimmt auch das Management der Anlagestrategie: Hier kommen in Zukunft verstärkt maschinelle Lernverfahren („künstliche Intelligenz“) ins Spiel, die das Datenmaterial des Kunden mit statistischen Daten abgleicht und Reallokationen vorschlägt. Der Robo richtet sich hierbei an Kennzahlen (KPIs) aus, die für den individuellen Fall ausgewählt wurden. Die Initiatoren werden regelmäßig neue Strategien in ihren Robos ausprobieren, so dass Robos unterschiedliche „Persönlichkeiten“ ausprägen werden.
Der kluge Robo Advisor simuliert nun auf Basis historischer Werte, wie der Kauf oder Verkauf der vorgeschlagenen Finanzprodukte die Wertentwicklung und das Risiko des Gesamtvermögens verändern würde. In die Zukunft sehen kann der Robo natürlich nicht. Eine Einschätzung dazu, ob sich zum Beispiel die Volatilität des Gesamtvermögens durch den Zukauf eines neuen Produktes erhöht oder ob sie sinkt, sollte der Kunde dennoch erhalten. Und schließlich trifft die Entscheidung eben nicht der Robo, sondern der Kunde.
Und warum gibt es so einen echten Robo Advisor noch nicht? Kurz gesagt, es fehlen die letzten 10 Prozent an digitaler Technik.
Noch können nicht alle relevanten Vermögensklassen in gleicher Qualität automatisiert dargestellt werden. So sind zum Beispiel Versicherungen schwer zu erfassen, da es unter anderem an Primärschlüsseln für unterschiedliche Tarife fehlt. Viele Assetklassen können nur schwer algorithmusbasiert bewertet beziehungsweise dargestellt werden. Bewertungen von Unternehmen, die nicht börsennotiert sind, sind etwa wegen der hohen Komplexität noch nicht automatisiert möglich.
Allerdings wird an allen Teilelementen derzeit gearbeitet – von der automatisierten Zusammenstellung des Gesamtvermögens bis zum Zugang eines möglichst großen Produktuniversums. Alle Einzelteile sind jedoch so komplex, dass nur wenige Unternehmen sich den Gesamtprozess zutrauen. Zudem müssten die zuständigen Aufsichtsbehörden ihren Segen geben, die sich – zu Recht – im Sinne des Verbraucherschutzes – mit der Prüfung befassen müssen.
Haben Sie schon mal einen klassischen Vermögensverwalter in Star Trek gesehen? Sicher nicht! Wir glauben, dass die Richtung zu einem vollautomatisierten, individuellen Robo Advise nicht mehr aufzuhalten ist. Zu viele junge Fintechs und etablierte Firmen arbeiten bereits an Lösungen. Auch wenn diese in nächster Zeit noch nicht alle Erwartungen erfüllen können, steht jedoch fest, dass die Robo Advisor zukünftiger Produktgenerationen die Vermögensverwaltungslandschaft gravierend verändern wird.
Ralf Heim ist Co-Chef von Fincite. Das Fintech konzipiert digitale Lösungen für das Asset Management auf B2B-Basis. Mit seiner Plattform Fincite Core bildet Fincite die Grundlage für Robo Advisory und andere Asset Management Produkte.
Nicholas Ziegert führt die als Tochter der Warburg Bank gegründete W&Z Fintech, die digitale Konzepte für das Private Banking Segment entwickelt. Das erste Produkt ist eine Family-Office-App unter der Marke Ownly. Ownly bietet eine ganzheitliche und automatisierte Vermögensübersicht, die neben Konten und Depots auch illiquide Assets wie Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen umfasst.
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