Die Frage, ob Frauen tatsächlich die erfolgreicheren Anlegerinnen sind, ist eine, über welche es vermutlich ähnlich viele Diksussionen gab, wie jüngst über den Brexit. Was beide Themen weiterhin eint: Eine eindeutige Antwort gibt es bis dato nicht. Es existieren Fakten, Zahlen, Argumente und konträre Positionen – jedoch keine Lösung, die sämtliche an der Diskussion Beteiligte unterschreiben würden. Denn wie so oft im Leben, kommt es auch hier mal wieder auf die Perspektive an.
The Quarterly Journal of Economics nahm sich in einem zu Beginn des Jahrtausends erschienenem Artikel dem Aspekt der geschlechterspezifischen Selbstüberschätzung an und analysierte dessen Auswirkungen auf den Tradingerfolg von Männern und Frauen. Dabei stellten sie erhebliche Diskrepanzen fest, welche auch heute, nahezu 20 Jahre später, von hoher Relevanz sind. Denn wie der Artikel bereits im Titel verlauten lässt: Boys will be Boys. Always and forever.
Die Forschungen des Magazins stützen sich auf die Analyse und Befragung von 35.000 Haushalten. Ausgangspunkt waren finanztheoretische Modelle, denen zufolge übermütige Händler zu erhöhtem Trading neigen und kontinuierlich an der Optimierung ihres Portfolios arbeiten. Bei männlichen Probanden wurde festgestellt, dass Sie 45% mehr handeln, als weibliche Studienteilnehmerinnen. Bei nicht Gebundenen war der Unterschied darüber hinaus noch gravierender: Single-Männer traden bis zu 67% mehr, als nicht-liierte Damen.
„Na und?“- mögen Sie sich nun fragen. „Spricht ja nichts dagegen, stetig seine Vermögensallokation zu optimieren.“ Doch entgegen aller Annahmen wurde festgestellt, dass überhöhtes Trading zentraler Faktor beim Verlust möglicher Renditen ist. Demzufolge müssen die Herren der Schöpfung auf nahezu 2,7% ihres möglichen Gewinnes verzichten, wenn Sie kontinuierlich im Portfolio-Topf rühren, die etwas zurückhaltenderen weiblichen Traderinnen verlieren hingegen „nur“ 1,7%.
Die Frage nach dem Warum versuchten die Forscher durch eine weitere Hypothese zu untermauern, welcher zufolge Männer zu einer erhöhten Selbstüberschätzung neigen. Ihre allgemein größere Risikotoleranz, welche ebenfalls zu höheren Verlusten beiträgt, ist auf den biologischen Faktor des Testosterons zurückzuführen. Doch The Quarterly Journal of Economics ging noch weiter und formulierte mögliche Faktoren, welche in der Männerwelt dazu führen, die eigenen Fähigkeiten so realitätsfern einzuschätzen. Denn während weit unter der Hälfte der Frauen angaben, über Trading-Erfahrung zu verfügen, stuften sich nahezu 63% der teilnehmenden Männer als sehr erfahren ein.
Um möglichen Zusammenhängen zwischen realitätsferner Selbstwahrnehmung, erhöhtem Handel und daraus resultierenden Einbußen auf den Grund zu gehen, versuchte sich das Magazin zunächst an einer Definition des Terms der Selbstüberschätzung. Sie kamen zu dem Schluss, dass diese sich in einem starken Glauben in die eigenen Fähigkeiten niederschlägt, der immer dann zum Ausdruck kommt, wenn präzises Wissen zu finanzspezifischen Themen gefordert ist. Insbesondere die soziale Komponente spielt hierbei eine wichtige Rolle: Durch die feste Überzeugung sie seien überdurchschnittlich begabt, geraten Trader immer wieder mit jenen aneinander, die mehr oder weniger behutsam versuchen, sie auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Doch anstatt sich auf den Börsenerfolg auswirkende Komponenten wie Zufall und politische Entscheidungen vermehrt zu berücksichtigen, werden sich selbst überschätzende Händler nun in eine Verteidungungsposition gedrängt. Sie versuchen ihrem Gegenüber nun zu beweisen, dass sie sehr wohl auf ihre Fähigkeiten vertrauen können und neigen in Folge dessen dazu, verstärkter in die Tradingspirale einzusteigen. Der hieraus resultierende Teufelskreis kostet sie auf lange Sicht jedoch nicht nur das Ansehen ihres Diskussionspartners, sondern oftmals auch Teile ihrer Rendite.
Darüber hinaus neigen übermäßig selbstbewusste Menschen dazu, ihren Erfolgen mehr Gewicht beizumessen, als ihren Misserfolgen. Während negative Erfahrungen also stillschweigend in die Ecke des Vergessens gekehrt werden, bilden positive den Grundstein für ökonomisch übermütiges Handeln.
Nichtsdestotrotz blicken trading-afine Damen ihrer erwarteten Rendite ebenfalls positiv entgegen: Genau wie befragte männliche Teilnehmer, gehen sie davon aus, dass ihr Portfolio den Markt schlägt. Lediglich in den Prozentzpunkten liegen erneut geschlechterspezifische Unterschiede vor: Frauen gehen davon aus, den Markt um 2,1% „outzuperformen“, Männer setzen auf optimistische 2,8%.
Boys will be boys… Liegt Selbstüberschätzung also in der Natur des männlichen Geschlechts?
Stützt man sich auf die Erkenntnisse des Quarterly Journal of Economics, so liegt Selbstüberschätzung wohl eher in der Natur des Single-Daseins. Denn wie unterschiedlich die Selbstwahrnehmung und die Portfolio-Performance von nicht Gebundenen sein mögen, so ähnlich sind sie wiederum bei verheirateten Paaren. Durch den Eheschluss reduzierten die Probanden geschlechterspezifische Unterschiede in Hinblick auf finanzielle Entscheidungen erheblich; teilweise glichen sie sich vollständig an. Es kann also davon ausgegangen werden, dass insbesondere nicht-liierte Männer finanzielle Sicherheit und Stärke nutzen, um Eindruck auf die Damenwelt zu schinden. Ist Trading also nichts anderes als eine Art Balztanz?
Was früher das größte erlegte Mammut war, ist heute die vielleicht die größte Rendite. Doch entscheidend ist etwas anderes: Kostete Selbstüberschätzung den eifrigen Jäger früher sein Leben, ist es heute lediglich die Rendite. Eines eint die Jagd auf Mammut und Prozentpunkte jedoch: Verlieren tut weh, heute, wie zu Zeiten der Jäger und Sammler.
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