Facebooks Kryptowährung Libra – was kommt auf uns zu?

OWNLY

23. Juli 2019

Die Nachricht der geplanten Kryptowährung Libra ist seit den letzten Wochen in aller Munde und mittlerweile als Top-Thema in der deutschen Presse angekommen. Der Internet-Riese Facebook hat Ende Juni angekündigt die digitale Währung ab dem kommenden Jahr einführen zu wollen. Einfach wird es für Facebook jedoch nicht werden, besonders Politik und Wirtschaft sind alarmiert, so war es eines der am intensivsten diskutierten Themen beim Finanzministertreffen der G7 in Paris vor wenigen Tagen.
Doch was steckt hinter den Plänen von Facebook und welche Bedenken haben Wirtschaft und Politik? Wie funktioniert die Währung und welchen Nutzen soll sie erfüllen? Und was unterscheidet Sie zum Beispiel von der mittlerweile schon „altbekannten“ Kryptowährung Bitcoin? Ein Überblick.

Das Internet-Monopol der „Big Four&“

GAFA, The Big Four, die vier apokalyptischen Reiter – dies sind nur ein paar der vielen Bezeichnungen für die vier Tech-Giganten Google, Apple, Facebook und Amazon. So wie diese Konzerne die Digitalisierung vorantreiben und Märkte nachhaltig prägen, so bedrohlich ist auch ihr Monopol und ihre Marktmacht.
Mit ihren vielfältigen Angeboten erreichen die Unternehmen täglich Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Eine der größten Errungenschaften ist der riesige Datenschatz, auf dem sie sitzen. Was früher nicht mal die engsten Freunde über einen wussten, wissen die Vier heutzutage schon längst – und das nach nur ein paar Suchanfragen oder Online-Käufen.

Über Branchengrenzen hinweg

Die Konzerne bleiben aber auch schon lange nicht mehr nur ihrem ursprünglichen Kerngeschäft treu, sie dringen in andere Geschäftsbereiche vor, neudeutsch „Business Migration“ genannt. Die Finanzindustrie bleibt von dieser Bewegung nicht verschont: Google, Apple und Amazon sind in das Zahlungsgeschäft schon eingestiegen mit Angeboten wie Google oder Apple Pay.
Das klassische Bankgeschäft soll, laut einiger Sprecher der Konzerne, noch nicht Teil des Geschäftsmodells werden. Die Betonung liegt auf noch, denn viele Experten halten es für wahrscheinlich, dass die Vier den Banken früher oder später mit eigenen Produkten und sogar einer Banklizenz Konkurrenz machen könnten.
Facebook, so schien es, hatte sich bisher nicht als werdender Finanzdienstleister entpuppt – bis zur Ankündigung der eigenen Kryptowährung Libra.
Bekannt war aber, dass Facebook schon länger Größeres plant. Der ehemalige PayPal-Chef David Marcus ist seit 2014 bei Facebook und schart mittlerweile knapp 40 Leute um sich, die sich mit den Möglichkeiten von Blockchain und Zahlungsverkehr beschäftigen.

Welche Technologie liegt Libra zugrunde?

Libra ist eine neue Kryptowährung, die auf der Blockchain-Technologie basiert. Die Blockchain ist eine Ausprägung der Distributed Ledger Technologie (DLT). Distributed Leger beschreibt eine dezentrale Datenbank, bei der neue Datensätze zu jeder Zeit von den Teilnehmern hinzugefügt werden können.
Die Blockchain ist wortwörtlich eine „Blockkette“, also eine Kette aus Transaktionsblöcken. Die Verwaltung dieser Transaktionen liegt bei vielen dezentralen Rechnern, die alle die jeweilige initiierte Transaktion bestätigen müssen. Die Daten werden anschließend verifiziert und verschlüsselt in der Blockchain gespeichert.
Beim Libra handelt es sich um eine besondere Ausprägung der Blockchain. So sollen die Transaktionen nur von einzelnen, ausgewählten Teilnehmern hinzugefügt werden können. Strenggenommen wird die Technologie deshalb als Variante der Distributed Ledger Technologie, als eine „permissioned Blockchain“ bezeichnet.

Was unterscheidet Libra vom Bitcoin?

Anders als der Bitcoin, der als nicht regulierte und dezentrale Online-Währung bekannt ist, soll Libra an einen Währungskorb gekoppelt sein, sodass starke Preisschwankungen ausbleiben. Es findet eine Deckung des ausgegebenen Wertes an Libra in Form dieses Währungskorbes und z.B. Staatsanleihen statt. Libra würde somit zu den sogenannten „Stable Coins“ gehören, die eine digitale Währung mit stabilem Wert versprechen und die man direkt in ein traditionelles Asset, im Falle von Libra in Währungen wie US-Dollar, Euro und Yen tauschen kann.

Die Facebook-Tochter Calibra wird eine Wallet, eine digitale Geldbörse, entwickeln, um diese zum Beispiel in den Facebook Messenger oder den Nachrichtendienst WhatsApp zu integrieren. Hier fällt ein weiterer Unterschied zum Bitcoin auf. Mit Bitcoin zu handeln ist unter einem Pseudonym oder auch anonym möglich. Bei Libra hingegen müssen sich Personen bei dem Anbieter Calibra identifizieren.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal: die Menge und Schnelligkeit der Transaktionen. Ein Problem der bisher bekannten Kryptowährungen ist häufig die lange Dauer der Transaktionen. Bei Libra hingegen sollen mehrere tausend Transaktionen pro Sekunde möglich sein.

Was plant Facebook mit Libra?

Facebook ist Initiator der Neuentwicklung, aber gründete mit vielen Partnern aus Technologie- und Finanzbranche, darunter u.a. Mastercard, PayPal, Uber und Spotify ein Konsortium, das in Zukunft für Libra verantwortlich sein wird. Die Partner bilden die Libra Association, eine unabhängige, gemeinnützige Organisation mit der Vision eine stabile globale Kryptowährung, die auf einem sicheren Netzwerk basiert, zu schaffen (Quelle: libra.org).
In erster Linie soll Libra dafür genutzt werden schnell und günstig Zahlungen durchzuführen, ob online oder im Laden, hierfür wird lediglich ein Smartphone benötigt. Die perfekte Voraussetzung dafür, Vorreiter im Online-Zahlungsverkehr zu werden, hat Facebook. Mit über zwei Milliarden Nutzern auf der ganzen Welt ist eine potenzielle Kundengruppe vorhanden, die so manche Großbanken alt aussehen lassen würde. Besonders in Schwellenländern in Asien und Afrika soll die Kryptowährung an Bedeutung gewinnen, denn so wie u.a. beim Zahlungsdienstleister PayPal, muss für Libra nicht zwingend eine Kreditkarte oder ein Bankkonto hinterlegt werden.
Objektiv betrachtet hat Libra gegenüber traditionellen Währungen, wie wir sie kennen, viele Vorteile. Zum einen soll das Versenden von Libra mit nur sehr geringen Gebühren verbunden sein, besonders wenn man diese mit Transaktionsgebühren von Auslandsüberweisungen heutzutage vergleicht. Dazu kommt, dass mit der Einführung von Libra eine Art „Weltwährung“ geschaffen werden würde, sodass Menschen, unabhängig von ihrem Standort, nationaler Währungen und Banken, in Sekundenschnelle und ohne nennenswerte Kosten Zahlungen durchführen könnten.

Durch die eigens gegründete Tochter Calibra soll wieder Vertrauen gewonnen werden, so war Facebook doch jüngst durch einige Skandale erschüttert worden. Der Sitz der Libra Association in der Schweiz impliziert Unabhängigkeit und Neutralität, so ist die Region der Sitz vieler weiterer unabhängiger Blockchain-Unternehmen.
Wie groß Facebook‘;s Einfluss auf die Libra Association sein wird, ist noch nicht abzusehen. Zu vermuten ist jedoch, dass das soziale Netzwerk eine führende Rolle in der Entwicklung von Libra übernehmen wird.

Was passiert mit den Daten?

Welche Frage die Aufsichtsbehörden und sicher auch einige potenzielle Nutzer von Libra besonders beschäftigt, ist die Sicherheit und die Verwendung der (Finanz-)daten. Facebook betont in einem White Paper, dass Calibra die Hoheit über die Daten behält und diese nicht, ohne Zustimmung der Nutzer, an Facebook weitergibt. Zwischen den Zeilen liest man aber von Personalisierung, z.B. indem man seine Facebook-Kontakte zur Wallet hinzufügt oder, dass bestimmte Daten zur Verbesserung des Produktes verwendet werden könnten.
Sicher ist es, dass Facebook Interesse an den Daten hat, denn sobald sie mit Libra auf getätigte Finanztransaktionen Einsicht haben, würden die Algorithmen weiterhin geschärft werden und personalisierte Werbung noch präziser ausgespielt werden können, wodurch Facebook natürlich Geld verdient.

Aufsichtsbehörden und Politik sind alarmiert

Politik, Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsexperten haben große Bedenken bezüglich der Einführung einer Facebook-Währung, besonders hinsichtlich Stabilität, Verbraucherschutz, Privatsphäre und Geldwäsche. Die Herausgabe einer Währung gehöre nicht in die Hände eines Privatunternehmens, so Finanzminister Olaf Scholz. Die Mehrheit betont, dass Währungen und Zahlungsverkehr weiterhin reguliert und Kernelement staatlicher Souveränität sein sollen.
Die Angst, dass Facebook seinen weltweiten Einfluss noch weiter vergrößern könnte und Regierungen und Aufsichtsbehörden einen Kontrollverlust erleiden ist groß. Facebook sei kein Unternehmen mehr, sondern eher ein Staat, sagte US-Senator John Kennedy im US-Kongress. So wäre es möglich, dass Libra, mit den einflussreichen Partnern der Libra Association, gar Regierungen und Währungen destabilisieren könnte.

Zudem soll Libra, nicht so wie andere Kryptowährungen, eigentlich kein Spekulationsobjekt sein. Experten warnen jedoch vor einem Währungsrisiko, denn der Währungskorb bestehe ja neben dem Euro noch aus anderen Fremdwährungen und diese können, zum Beispiel in Relation zum Euro, schwanken. Tauscht man seine nationale, stabile Währung in Libra um, ist das also keinesfalls ein Stabilitätsversprechen.

Facebook versucht derzeit alle Bedenken aus der Welt zu schaffen und räumt ein erst mit Libra starten zu wollen, sobald alle regulatorischen Themen geklärt sind. Ob das bis 2020 noch geschehen wird und wie die Zukunft des Zahlungsverkehrs mit Libra aussehen wird, bleibt abzuwarten.

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