Dass von der EU in regelmäßigen Abständen weltbewegende Entscheidungen getroffen werden, sind wir ja gewohnt. Dass wir von diesen als Endkunde auch etwas zu spüren bekommen, ist jedoch eher eine Seltenheit.
Stichwort „Gurkenkrümmung“: Die ehemalige Verordnung Nummer 1677/78 aus dem Jahr 1989 gilt bis heute als Symbol für den Regulierungswahn, mit welchem die Europäische Union in teils absurd scheinende Bereiche unseres täglichen Lebens als EU-Bürger einzugreifen scheint.
Prominenz erlangte sie jedoch erst viele Jahre nach ihrer Verabschiedung durch die sozialen Medien, die spöttisch nachhakten, ob es in Zeiten politischer und natürlicher Katastrophen mittelschweren Ausmaßes keine Themen höherer Relevanz gebe.
Die Wahrheit ist jedoch, dass die Gurken der europäischen Landwirte nach der Regelung nicht weniger krumm wuchsen als vorher, denn optisch unattraktives Gemüse wurde auch ohne politische Intervention nicht von den Kunden gekauft und häufig im Vorfeld aussortiert.
Nichtsdestotrotz wurden 2009, als die Richtlinie abgeschafft werden sollte, Beschwerden von Handelsverbänden und Agrarministern der Mitgliedsstaaten laut. Sich von Altem zu trennen fällt immer etwas schwer, selbst wenn es nur eine den maximalen Krümmungsgrad von Kürbisgemüse festlegende Verordnung ist.
Insbesondere in Zeiten des schnellen Wandels erfordern die Regelungen allerdings eine konstante Überarbeitung und regelmäßige Anpassung an den aktuellen Stand der Technik und Forschung. Genau dieses Ziel verfolgte wohl die Europäische Kommission als sie 2015 einer Vielzahl neuer Dienstleister gegenüberstand, die sich in Zeiten der Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben hatten, den Finanzsektor zu revolutionieren und den Komfort für den Endkunden auf ein ganz neues Level zu heben.
Sie verabschiedete die neue Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 (Abkürzung für den englischen Begriff „Payment Service Directive“), die eine überarbeitete Version der Regelung von 2007 darstellte und mit der Absicht in Kraft trat, Zahlungsdienste und -dienstleister im europäischen Wirtschaftsraum zu regulieren.
Banken und Finanzdienstleister sind verpflichtet, die neuen Vorgaben bis zum 14. September dieses Jahres umzusetzen. Dabei stehen insbesondere zwei Themen im Fokus:
Sicherheit und Innnovation.
Erstere rückt den Schutz sensibler Kundendaten in den Mittelpunkt, der durch die neu eingeführte Zwei-Faktor-Authentifizierung gestärkt werden soll.
Zukünftig muss beim Login in digitale Finanzanwendungen oder der Ausführung von Online Zahlungen eine Kombination aus zwei Faktoren vom Kunden abgerufen werden, die die bisher einfache Sicherheitsabfrage ersetzt. Konnten in der Vergangenheit Zahlungen z.B. durch die Eingabe der Kreditkartennummern und des Card Validation Codes ausgelöst werden, werden nun zwei Sicherheitsmerkmale für diesen Prozess benötigt. Diese Merkmale lassen sich in drei Kategorien einteilen, von denen jeweils zwei für den Prozess benötigt werden:
Für den Kunden ergeben sich dadurch nur geringfügige Änderungen, es wird jedoch nahezu unmöglich, Bankkonten einzig mit einer gestohlenen Kreditkarte abzuräumen. Der leicht erhöhte Kundenaufwand wird folglich durch einen minimiertes Riskio für Diebstahl und Betrug gerechtfertigt.
Auch die Finanzindustrie steht der neuen Richtlinie größtenteils positiv gegenüber. Insbesondere FinTechs profitieren von PSD2, da diese das Monopol der Banken über Kontodaten aufbricht und somit den Markt für junge Unternehmen öffnet. Banken sehen sich nun in der Pflicht, Schnittstellen einzurichten, über welche Drittanbieter auf den Wunsch der Kunden hin auf seine Zahlungskonten zugreifen können.
Wie einst die „Gurkenkrümmungsverordnung“, geht auch PSD2 über seinen bloßen Inhalt hinaus und erhält damit beinahe symbolischen Charakter.
Die neue Zahlungsdiensterichtlinie wird von der jungen FinTech-Szene als Triumph gegen die einst übermächtig scheinende Bankenwelt gesehen, deren schillernde Wolkenkratzer die kleinen Büros der Finanz-Start-Ups nun nicht mehr in den Schatten stellen.
Denn in Zeiten der Digitalisierung kann die analoge Welt noch so sehr ihre teuren Schreibtische polieren – letzendlich siegt jener Anbieter, der den höchsten Kundennutzen generiert.
Und wovon träumen die Millenials? Meistens davon, lästige Banking- und Finanzthemen gemütlich von Zuhause zwischen Tagesschau und Tatort zu erledigen. Abends Kontostand checken zwischen Kartoffelchips und Couch, morgens Banking to go zum Coffee to go.
Deklariertes Ziel der Europäischen Kommission war es weiterhin, den Wettbewerb im Markt zu steigern und faire Wettbewerbsbedingungen für FinTechs zu schaffen.
Das Privileg der Verwaltung von Kundendaten verschwindet vom Markt und der Verbraucher entscheidet nun selbst, wem er seine Informationen zur Verfügung stellen möchte.In den Fokus rücken nun Leistungs- und Preiskriterien, deren Optimierung nun auch für traditionelle Bankhäuser plötzlich existentiell wird. Aus erhöhtem Wettbewerb erwächst stets Innovation und letzendlich profitiert der, um den es in der Finanzindustrie tatsächlich geht oder zumindest gehen sollte: der Kunde.
Wer sich die Mühe macht, sich durch das knapp 100 Seiten lange Dokument der Kommission zu kämpfen, der wird feststellen, dass es allerdings um mehr geht.
Sicherheit: Check.
Wettbewerb: Check.
Aber da ist noch etwas:
Mit der Verabschiedung von PSD2 scheint in Brüssel angekommen zu sein, dass die Zeit reif für einen Wandel ist, der beispielsweise in Nordamerika schon um einiges weiter vorangeschritten ist, als in Europa. Die neue Zahlungsdiensterichtlinie lenkt die Aufmerksamkeit auf digitale Themen, einen Bereich den die europäische Politik bis dato verschlafen, zumindest aber auf den Stapel mit den Themen niederer Priorität gelegt zu haben schien.
PSD2 öffnet nun die Tore für eine neues Dienstleistungsuniversum:
Von digitalen Haushaltsbüchern über Vermögensaggregation bis hin zu Kredit Scoring – der Zugriff durch Drittanbieter auf Kontoinformationen des Kunden bildet die Basis für zahlreiche (digitale) Services.
Darüber hinaus ist nun auch die Grundlage für Folgeentscheidungen gelegt, mit denen die Europäische Union international wettbewerbsfähiger werden könnte.
Die digitale Welt ist bereit für digitalen Wettbewerb – möge der Bessere gewinnen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen