Picasso für alle. Bedeutet Fractional Ownership die Demokratisierung des Kunstinvestments?

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10. Januar 2022

Die klassische Devise des Kunstsammelns ist denkbar einfach: Ein Käufer, ein Kunstwerk. Oder: Ein Sammler, mehrere Kunstwerke. Dass sich mehrere Privateigentümer ein Werk teilen, ergibt sich manchmal aus Erbschaftsangelegenheiten, ist als Investmentstrategie aber bislang eher ein Geheimtipp. Der gemeinschaftliche Ankauf von hochpreisigen Blue Chips aus der Hand Picassos, Warhols oder Monets ist unter Galeristen und Kunsthändlers als Gentlemen-Agreement durchaus branchenüblich. Eher selten ist dahingegen der Umstand, dass sich mehrere Privatinteressenten ein Kunstwerk qua Eigentum und damit die Rendite teilen. Das Stichwort heißt „Fractional Ownership“. Lohnt sich das Modell auch für kleinere und mittlere Budgets?

Was bislang noch als Tagesgeschäft arrivierter Granden des Kunstmarktes galt, ist seit einiger Zeit auch für Privatanleger jeden Budgets möglich: Der Kauf eines echten Picassos. Die Frage lautet nicht länger: Wer kann und will sich einen Picasso leisten? Sondern: Wer will, kann sich einen Picasso leisten! Die Lösung heißt Fractional Ownership und verbreitet sich zusehends im spezialisierten Nischeninvestment: Ein Zusatzangebot zum klassischen Kunstkauf, dem Investieren in Kunstfonds oder NFTs. Wer wenig Wert auf 100%ige Eigentumsverhältnisse an einzelnen Assetklassen legt und einen niedrigen preislichen Einstieg in das Kunstinvestment sucht, für denjenigen könnte die Strategie des Fractional Ownership von Interesse sein.

Der Großteil von Anlegern führt zwei Gründe auf die Frage an, warum sie bis dato nicht in Kunst investiert sind: 1. Der Kunstmarkt und die Strukturen dahinter sind intransparent. 2. Der Ankauf von Blue Chips, also Kunstwerken mit der Aussicht auf eine ansprechende Rendite und geringerem Risiko, sind in der Anschaffung zu preisintensiv. Den (oftmals enormen) Anschaffungspreis zu teilen, hat mittlerweile eine Reihe von Initiativen und Plattformen auf den Markt gerufen, die das anteilige Investment in Fine Art Meisterwerke anbieten.

Die Beteiligung an kostspieligen Assetklassen wurde erstmals im Flugsegment angeboten, als der Geschäftsreiseflugzeuganbieter NetJets 1986 das Konzept der gesplitteten Eigentumsverhältnisse vorstellte. Anleger konnten anteilig in Flugzeuge des Aviatorservice investieren und bekamen als Shareholder dafür die Möglichkeit, Mietjets der Flotte über einen Fractional Jet Plan für Reisen zu ordern. Seit Jahren bewirbt NetJets diesen Service übrigens auch exklusiv in der zugangslimitierten Collectors Lounge der Art Basel und stellt das Modell interessierten Kunstsammlern vor.

Meisterwerke der Kunstgeschichte digital filetiert

Wer es aus Gründen weder in einen Privatjet noch in die exklusiven Kunstkreise der Basler Messe schafft, dem steht nunmehr trotzdem der Weg offen, sich am HighEnd-Kunstmarkt zu beteiligen. Und das ohne tiefere Kenntnisse des Marktes. Verschiedene Anbieter mit Markt-Know-How haben sich auf die Ausgabe von Tokens und Shares spezialisiert und Meisterwerke der Kunstgeschichte quasi digital filetiert. Die physischen Kunstwerke werden dabei in eine vorher festgelegte Anzahl von digitalen Anteilen aufgeteilt. Dabei heraus kommt nichts weniger als die vermeintliche Demokratisierung des Kunstinvestments. Hochwertige Kunst zum überschaubaren Einstiegspreis. Die Bedingungen stehen allerdings auch hier im Kleingedruckten: Sie kaufen zwar Anteile eines Kunstwerks, werden die Zeichnung, das Gemälde oder die Skulptur im Zweifel allerdings nie persönlich zu Gesicht bekommen. Der Anbieter wird die Wertgegenstände für Sie verwahren. Anfassen ausgeschlossen. Was bleibt ist eine Art Aktie, ein digitales Papier, das Ihre Eigentumsbeteiligung erklärt. Wie aber funktioniert das Geschäftsmodell und wer sind die Anbieter?

Johann König, Berliner Galerist von internationalem Rang, Aussteller auf der Art Basel und Innovationstreiber der Kunstbranche erweiterte vor wenigen Monaten und im Zuge der aufkommenden Coronapandemie sein Geschäftsfeld. Seine hauseigene erfolgreiche Verkaufsausstellung Messe in St. Agnes (MISA) stieg Mitte 2021 in das Geschäft mit der NFT-Kunst ein und erweiterte das Angebot um das MISA fractional share start up. König bietet seine Website misa.art als Handelsplattform für den Kauf und Verkauf von Beteiligungen an Kunstwerken an. Darunter befinden sich Werke arrivierter Künstler wie Rosemarie Trockel, Damien Hirst oder Jeff Koons. Um welche Kunstwerke es sich dabei konkret handelt, verrät die Website allerdings noch nicht. Interessenten können sich für einen Newsletter eintragen, um zu gegebener Zeit Informationen über verfügbare Shares zu erhalten.

Die Tokenisierung eines Picassos

Einen Schritt weiter als Johann König ist Javier Lumbreras: Kunstsammler und CEO von Artemundi, einer international agierenden Gesellschaft, die Art Investment Funds auflegt und managt. Zusammen mit der Schweizer Sygnum Bank hat Artemundi im Oktober 2021 die ersten Anteile eines Gemäldes von Pablo Picasso („Fillette au béret“, 1964, aktueller Marktwert: CHF4m) an 60 Investoren verkauft. Die Anteile werden als Token ausgegeben, weshalb hier von der Tokenisierung eines Kunstwerks gesprochen wird. Steigt der Wert des Kunstwerks, steigt der Wert jedes einzelnen Tokens. Der Preis für einen Token lag hier Anfang Dezember bei 1.090 CHF. Das Minimuminvest liegt bei CHF5k. Picasso soll erst der Anfang sein. Warhol wird folgen. Das Joint-Venture plant die Aufnahme weiterer hochpreisiger Werke in das Portfolio. Gehandelt werden die Token unter Schweizer Recht auf der Plattform SygnEx.

Bereits ab €500 können Interessenten Anteile von Bildern Andy Warhols oder Keith Harings über die Hamburger Investmentplattform der Finexity AG erwerben. Das in New York ansässige Unternehmen masterworks LLC bot die Beteiligung an einem Werk von Jean-Michel Basquiat („The Mosque“, aktueller Marktwert: US$6m, 284.420 Anteile) bereits ab US$20 pro Share an.

Der wichtigste Unterschied vom Fractional Ownership zum Kunstfonds ist (Obacht!) die nicht vorhandene Risikostreuung, die es, sofern Sie nur in die Token eines einzelnes Kunstwerk investieren, nicht gibt. Anders als bei Kunstfonds investiert man mit den einzelnen Anteilen für gewöhnlich in ein spezifisches Kunstwerk, nicht in ein zusammenhängendes Portfolio. Die Lösung: In mehrere Werke unterschiedlicher Künstler investieren. Ein vermeintlicher Vorteil im Gegensatz zu Fonds besteht allerdings darin, die Token beim Fractional Ownership jederzeit wieder abstoßen zu können, was in laufzeitgebundenen Investmentalternativen nicht der Fall ist. „Vermeintlich“ deshalb, weil der Wiederverkauf von Token aktuell durchaus noch zäh von statten geht. Heißt im Klartext: Die 2. und 3. Käufergeneration gibt es in der derzeitigen Phase des Geschäftsmodells noch nicht. Die Gefahr, die erworbenen Token bei kurzfristigem Liquiditätsbedarf nicht wieder veräußern zu können, weil es eventuell keine Interessenten für einen Wiederankauf gibt, ist als Risikofaktor zu bedenken.

Begründetes Vertrauen ist kein Nice-to-have, sondern ein Must-have!

Bei allen Anbietern werden die Token auf der Blockchain gespeichert und gelten damit als fälschungssicher. Und damit wären wir beim Stichwort „Fälschung“ auch bei der gerade wichtigen Due Dilligence, die nicht nur bei einem klassischen Kunstkauf unbedingt zu beachten ist, sondern gerade auch im digitalen Kunstinvestmentbereich.  Die grundsätzliche Frage lautet: Existiert das online angebotene Kunstwerk real überhaupt? Anders als auf Kunstmessen, werden Käufer dem physischen Investitionsobjekt hier im Zweifel niemals begegnen. Gibt es verborgene Rechte Dritter, die Zugriff auf das Werk haben könnten? Ist das Kunstwerk authentisch? Handelt es sich bei dem angebotenen Kunstwerk überhaupt um einen Blue-Chip-Anwärter oder stammt das Werk von einem weitestgehend unbekannten Künstler? Das unbedingte, begründete Vertrauen in den Anbieter und die Handelsplattform ist also kein Nice-to-have, sondern ein Must-Have!

Ein vertrauenswürdiger Anbieter wird seinen zukünftigen Shareholders Details zum Kunstwerk, seine Provenienz sowie einen Zustandsbericht nicht vorenthalten. Die Werke sollten in kürzeren als üblich anberaumten Abständen auf ihren aktuellen Marktwert hin überprüft werden. Gemeinhin werden diese Werte alle zwei Jahre evaluiert. Um die Preise der Token aber aktuell zu halten, empfiehlt sich eine Marktrecherche im Drei- bis Sechsmonatsturnus. Die Kunstwerke sollten von erfahrenen Kunstmarktexperten ausgewählt worden sein.

Lohnt sich das Modell also für Privatanleger mit kleinerem bis mittlerem Budget? Oder für Interessenten, die ihr Portfolio diversifizieren möchten, ohne thematisch zu tief in den Kunstmarkt einsteigen zu wollen? Die Antwort ist ein leidenschaftsloses „Ja“. Wer durch das Fractional Ownership am Kunstmarkt partizipieren möchte, kann dies hier auch mit kleinen Einsätzen und ohne Zusatzkosten wie Restaurierung, Lagerung und Versicherung tun. Aber: Wo bleibt da der Spaß an der Kunst?

Die Kunstbranche öffnet sich und macht ein Angebot

Das Kunstinvestment zeichnet sich zuweilen auch dadurch aus, dass sich durch den Umgang mit den Werken eine emotionale Rendite zur monetären gesellt, die von nicht wenigen Menschen sehr geschätzt wird. Das Kaufen von Token an Kunstwerken reduziert das Kunstinvestment auf seine ursprüngliche Idee der Geldmehrung. Der Schwerpunkt im Wort verändert sich, weg von „Kunst“ hin zu „Investment“. Die Emotionalität in dem Geschäft beschränkt sich auf das Steigen und Fallen der Tokenpreise im Laufe der Zeit. Was als vermeintliche Demokratisierung des Kunstmarktes allseits angepriesen wird, ist bei genauerer Betrachtung kein „Kunst für alle“. Kaufen können Sie Anteile eines Picassos, genossen haben Sie ihn aber dadurch noch lange nicht. Kunst wird mehr denn je zum abstrakten Investitionsobjekt ohne Realitätsbezug. Eine umfängliche Demokratisierung würde nicht nur den Zugang zu hochwertiger Kunst bedeuten, sondern auch, die erworbenen Anteile überall verkaufen zu können. Dies ist bislang noch nicht der Fall. Die Shares können bis dato noch nicht plattformübergreifend gehandelt werden.

Fairerweise sollte dem neuen Geschäftsmodell allerdings zugutegehalten werden, dass es die Zielgruppe für das Kunstinvestment vergrößern könnte. Ähnlich wie bei NFTs werden Käuferschichten angesprochen, die mit dem traditionellen HighEnd-Kunstsammler weniger gemein haben. Selbst mit vergleichsweise geringem Budget werden Anleger zum Teil des Paralleluniversums Kunstmarkt. Im weitesten Sinne. Aber: Die Kunstbranche öffnet sich und macht ein Angebot. Das Angebot, sich mit Kunst zu befassen, im Rahmen digitaler Investments. Der Mehrwert für Family Offices und Banken liegt in der immer größer werdenden Vielfalt an Möglichkeiten, Budgets im Kunstbereich zu platzieren. Und wer dem Kunstmarkt nicht vollständig traut, der muss keinen sechs- bis achtstelligen Betrag in ein Werk und einen Künstler investieren und damit alles auf eine Karte setzen. Die Auswahl des Kunstwerks will beim Kunstinvestment immer wohl überlegt sein. Mit dem Prinzip des Fractional Ownership tun Fehlinvestitionen allerdings im Zweifel weniger weh.

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