Baut – und sie werden kommen!

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16. März 2022

Lehren aus der Start-up Nation Dubai

In der Start-up-Szene werden immer wieder Sammlungen von Erfolgskriterien besprochen, deren Inhalte sich auch bei einigen ambitionierten Staaten wiederfinden. Eine dieser „Start-up Nations“ ist Dubai, das fast schulmäßig seit einigen Jahrzehnten aus dem Wüstensand eine hochmoderne Wirtschafts- und Technologiemetropole formt. Dubais Geschichte der Emanzipation ist geprägt durch den Rückzug Großbritanniens als Kolonial- oder Schutzmacht in den 1960er Jahren.

 

Zusammenschluss der UAE

Dubai war seit dem 19. Jahrhundert ein kleines Emirat am Arabischen (früher Persischer) Golf, geführt durch die Familie Maktum. Der Dubai Creek diente als kleiner lokaler Hafen; die Perlenfischerei war bis in die 1930er Jahre eine der Haupteinnahmequellen. Die Briten hatten am persischen Golf Militärstützpunkte errichtet und vertraten einige der Emirate in Verteidigungs- und außenpolitischen Fragen. Die immer wieder aufflammenden Grenzstreitigkeiten zwischen den Emiraten wurden oft erst auf Druck der Briten beigelegt. Innenpolitisch führten die Emire der sog. Trucial-States (vertraglich an Großbritannien gebundene Staaten) die Gebiete aber weiterhin eigenständig und traditionell. Um neben der an Bedeutung verlierenden Perlenfischerei eine weitere Einnahmequelle zu schaffen, wurde der Hafen am Dubai Creek zum Freihafen erklärt. Das Prinzip, hier einen zollfreien Handelsumschlagplatz zu schaffen, der die Ansiedlung von Handelshäusern anregte, kopierte man von den damals erfolgreichen Vorbildern in Europa und anderen Orten des britischen Empires. Während in anderen arabischen Ländern die Ölförderung schon früher maßgeblich zum entstehenden Wohlstand beitrug, ging es mit der Ölförderung in Dubai erst in den 1960er Jahren los. Den großen Ölreichtum von Staaten wie dem Irak, Kuwait, Saudi Arabien oder dem benachbarten Abu Dhabi besaß Dubai aber nie. Dubai war als muslimisch geprägtes arabisches Land durch die Fokussierung auf den internationalen Handel jedoch früh relativ liberal und offen für neue Ideen und Technologien eingestellt. Ende der 1960er Jahre verkündete Großbritannien – übrigens aus Kostengründen –, ihr Militär zurückzuziehen und die Verteidigungsbelange in örtliche Hände zu legen. Aus diesem angekündigten Vakuum entstand der Druck auf die kleinen Emirate am Golf, sich zu einer sich gegenseitig unterstützenden Gruppe zusammenzuschließen. Gewalttätige Auseinandersetzungen waren in der arabischen Welt in den 60er und 70er Jahren Alltag. Und so wurde die Grundlage der United Arab Emirates (UAE) geschaffen, die wie ein Staatenbund eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik betrieb; innenpolitisch jedoch die Macht bei den einzelnen Monarchen beließ. Zentrale Akteure der später sieben Emirate der UAE waren Scheich Zayeb aus Abu Dhabi und die Familie Maktum aus Dubai, die eine einheitliche Armee aufbauten und Abu Dhabi zur Hauptstadt machten. Dubai musste anders als Abu Dhabi früher Alternativen zum Einkommen aus Öl erschließen. Und so wurde der Freihafen ausgebaut, ein zweiter angelegt, ein internationaler Flughafen  – mit einem der größten Duty-free-Flächen weltweit – , eine Airline (Emirates) und ein bedeutendes Aluminiumwerk errichtet.

 

Start-up-Geist

Der junge Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktum durfte unter der Herrschaft seines Vaters nach erfolgreichem Aufbau einer UAE-Armee, die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Es existiert die Anekdote, dass Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktum in den 1970er Jahren verirrte deutsche Touristen am Strand von Dubai angesprochen hat, die in ihm die Erkenntnis reifen ließ, aus Dubai ein Tourismusparadies zu machen. Die Vertreter der anderen Emirate schüttelten nur die Köpfe, da sie Sand, Sonne und Meer als wertlos erachteten. Die Emirate hatten im internationalen Vergleich wenig vorzeigbare Bausubstanz und Kultur. Und hier zeigte sich die Start-up Qualität des Emirates. Scheich Maktum antwortete auf die Aussage im Rat der Emirate, dass in Dubai ja nichts sei, wohin Touristen kommen könnten: „Build it (gemeint war die touristische Infrastruktur aus Hotels und Sehenswürdigkeiten), and they will come!“. Jeder der in den vergangenen Jahren Dubai besucht hat, wird beeindruckt sein, wieviel Hotels, Immobilien und Freizeitattraktionen der Superlative seitdem entstanden sind. Das noch höchste Gebäude der Welt, der Burj al Khalifa oder das exklusivste Hotel der Welt das äußerlich einem Dau-Segel nachempfundene Burj al Arab oder die aufgeschüttete Palmeninsel sind nur einige Beispiele. Über 20 Mio. Touristen pro Jahr kamen vor der Corona-Krise ins Land. 


Der Wirtschaftsaufschwung

Nach dem Tod seines Vaters und seines älteren Bruders übernahm Scheich Mohammend bin Raschid Al Maktum 2006 die Regierungsführung des Emirats Dubai und vertrat als Präsident auch die anderen Emirate der UAE. In den letzten drei Jahrzehnten ist der Anteil des Öls am BIP von über 50% auf 5% gesunken. Tourismus, Freihafen und der Immobiliensektor sind längst die tragenden Säulen Dubais Wirtschaft geworden. Dem liegen einige Prinzipien zugrunde. Dubais Führung versucht systematisch Bereiche zu definieren, in denen international Spitzenplätze erreicht werden können und investiert große Summen in Ausbildung und Technologie. Neue Wissenschaftszentren und Kongresse sollen internationale Experten und Talente anlocken. „Nothing is impossible“ verkündet die Regierung. Sicherheit nach innen und außen wird angestrebt, Steuervergünstigungen werden angeboten, der Wirtschaftsverkehr wird weitgehend nicht beschränkt. Aus westlicher Sicht fragt man sich natürlich, wie sich eine islamische Monarchie mit einem modernen Fortschritts-orientierten Außenauftritt verträgt. Führungspositionen, Verwaltung, die Armee und die Polizei sind fest in der Hand der einheimischen Araber. Fast 90% der arbeitenden Bevölkerung sind dagegen Gastarbeiter – vom Hilfsarbeiter am Bau bis hin zum Quantenforscher und Hochleistungsmediziner. Fragt man Taxifahrer nach ihren Eindrücken, so antworten die meisten, dass sie seit vielen Jahren in Dubai arbeiten und am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben. Die Zweiklassengesellschaft ist zwar sehr deutlich, jedoch nicht zu vergleichen etwa mit Saudi Arabien, wo zwischen Gastarbeitern und Einheimischen ein noch fast mittelalterliches Abhängigkeitsverhältnis besteht. Frauen zeigen ihren beruflichen Erfolg selbstbewusst in der Öffentlichkeit. Dies ist in den traditioneller geprägten Nachbaremiraten meist anders. Nicht jeden Geschmack der seinen Ausdruck in Gebäuden und Einrichtungen in Dubai findet, muss man teilen. 

Blättern wir aber einmal in unserer eigenen Geschichte 120 Jahre zurück, finden wir sehr ähnliche Strukturen:

Kaiser Wilhelm der Zweite war ein großer Förderer von Wissenschaft und Technik (und natürlich dem Militär). Um dem damals relativ jungen Deutschen Reich Identität zu geben, wurden Stadtteile und Gebäude im Barock- und Renaissance-Stil, Parks, Museen, Statuen, das Reich verherrlichende Kunst etc. errichtet. Große Pläne und Visionen wurden geschmiedet – von der Welt als etwas „neureich“ beäugt. Noch heute ist die Liste der größten deutschen Unternehmen dominiert von denjenigen, die im Kaiserreich gegründet wurden, wie etwa Siemens oder Daimler. Der Ruf Deutschlands profitiert noch immer von den damals vielen Nobelpreisen und weltweit bewunderten Universitäten und kulturellen Einrichtungen, obwohl uns hier bereits viele andere Länder den Rang abgelaufen haben.

 

Die Entschiedenheit Dubais

Wie bei allem, was man unternimmt, geht auch einiges schief. Dubai musste sich in der Finanzkrise um 2008 Milliarden von Abu Dhabi leihen, Baukräne standen still, Gastarbeiter mussten das Land verlassen. Nicht alle ambitionierten Projekte konnten vollendet werden: eine zweite „Palme“ und die Inselgruppe „The World“ sind noch immer nicht entsprechend der ambitionierten Planungen bebaut. Die Corona-Pandemie hat auch Dubai in eine Rezession gestürzt. Diese Rückschläge passieren. Wichtig ist, wie die einzelnen Länder damit umgehen. Scheich Mohammed bin Raschid scheint es aber immer wieder glaubwürdig zu schaffen, sein Volk hinter sich zu bringen, und den Nationalstolz zu vergrößern.

Der Gewinn und die Ausrichtung der Expo 2020 (im Jahr 2021/2022) führte zum Entstehen eines neuen Stadtteils, weitere Attraktionen wie das Museum of the Future oder das Riesenrad Ain Dubai wurden errichtet. Dubai hat es geschafft, ähnlich wie andere kleine Start-up Nations, wie Singapur oder Israel, Wohlstand und Stolz in der eigenen Bevölkerung entstehen zu lassen. Dies unterscheidet diese Länder von so vielen anderen Ländern, die mit weit mehr natürlichen Ressourcen ausgestattet sind, aber keine gute Führung, sondern Kleptokraten und Diktatoren an der Spitze haben. Und eines muss auch erwähnt werden: auf die Religion kommt es bei erfolgreichen Staaten scheinbar nicht an. Israel ist jüdisch, Dubai arabisch und Singapur hat Muslime, Christen und Hindus vereint.

Und wer vom Start-up-Geist Dubais noch nicht überzeugt ist: Visionen müssen manchmal größer sein, als die Vernunft erlaubt: Dubai  bzw. die UAE haben sich vorgenommen als erstes arabisches Land eine Marsmission durchzuführen. Mit al Amal kreist bereits eine erste Raumsonde um den roten Planeten. Dagegen sehen die „Moonshot“-Abteilungen aus dem Silicon Valley schon fast bescheiden aus.

P.S. Persönliche Notiz: Der Autor hat keine Vorteile für die Erstellung dieses Artikels erhalten; er ist schlicht begeistert von dem, was er gesehen hat.

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