Welche Antworten von Vermögensberatern ChatGPT schon heute ersetzen kann und welche nicht. Ein Selbstversuch.

Thomas Wittlinger/Nicholas Ziegert

27. Februar 2023

ChatGPT nutzt, unterstützt von Künstlicher Intelligenz, große Datenmengen, um sinnvolle Antworten geben, oder sogar Dialoge führen zu können. Die Macher weisen auch auf Begrenzungen hin, u.a. dass die Informationen auch mal falsch sein können und Daten nach 2021 nicht so umfassend erfasst wurden wie davor.

Wir haben einmal typische Fragen im Rahmen von Vermögensverwaltungsdienstleistungen  an ChatGPT gestellt und uns gefragt, wie weit wir damit bereits in das Antwortuniversum von Finanzberatern vordringen können. Die Antworten von ChatGPT wurden unverändert so gegeben, wie nachfolgend dargestellt:

OWNLY: Kannst Du eine risikoarme Anlagestrategie für private Anleger empfehlen?

ChatGPT: Ja, es gibt mehrere risikoarme Anlagestrategien für private Anleger. Eine beliebte Option ist die Diversifikation der Anlage in ein Portfolio aus verschiedenen Vermögenswerten. Dadurch können Anleger das Risiko reduzieren, da sie nicht ihr gesamtes Kapital in eine einzige Anlage investieren.

Eine weitere Strategie besteht darin, langfristige Anlagen zu tätigen, wie beispielsweise in Indexfonds oder ETFs (Exchange Traded Funds), die breit diversifiziert sind und historisch gesehen stabile Renditen erzielt haben. Diese Anlagen haben in der Regel niedrigere Kosten und sind weniger anfällig für kurzfristige Marktvolatilität.

Ein weiterer Weg, um das Risiko zu minimieren, ist die Aufteilung der Anlage auf verschiedene Anlageklassen, wie zum Beispiel Aktien, Anleihen und Geldmarktprodukte. Dadurch können Anleger ihre Anlagestrategie breiter aufstellen und das Risiko reduzieren.

Es ist auch wichtig zu betonen, dass risikoarme Anlagestrategien zwar das Risiko reduzieren können, aber in der Regel auch eine geringere Rendite erwarten lassen. Es ist also wichtig, die eigenen Anlageziele, Risikotoleranz und Zeitrahmen zu berücksichtigen, um eine geeignete Anlagestrategie zu wählen. Es empfiehlt sich in jedem Fall, eine professionelle Beratung durch einen Finanzberater in Anspruch zu nehmen, um individuelle Bedürfnisse und Ziele zu berücksichtigen.

Wow, diese Aussagen sind allesamt richtig und bieten einen guten Einstieg in die Beratung zu Anlagestrategien. Je nachdem, ob der Berater ein Verkaufsinteresse bestimmter Dienstleistungen hat, und etwa auf eigenen Fonds hinweisen möchte , oder die Vermögensverwaltungsstrategie des Hauses vermarkten möchte, ist die Antwort von ChatGPT wahrscheinlich sogar neutraler und damit objektiver als die vieler Berater. Für diesen Einstieg hat uns ChatGPT also überzeugt.

Aber testen wir weiter, wenn es mehr ins Detail geht.

OWNLY: Kannst du den Kauf eines bestimmten ETFs empfehlen?

ChatGPT: Als künstliche Intelligenz-Programm, das keine persönlichen Empfehlungen geben kann, empfehle ich keine spezifischen ETFs. Die Wahl eines geeigneten ETFs hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der Anlageziele, der Risikotoleranz, der Zeitrahmen, der aktuellen Marktlage und anderer individueller Faktoren.

Es gibt jedoch eine Vielzahl von ETFs, die je nach Anlageprofil, Anlagestrategie und Anlageklasse geeignet sein können. Es ist wichtig, die verschiedenen Optionen sorgfältig zu prüfen und möglicherweise professionelle Beratung durch einen Finanzberater in Anspruch zu nehmen.

Ein wichtiger Faktor bei der Wahl eines geeigneten ETFs ist die Kostenstruktur, da höhere Kosten die Rendite des Anlegers schmälern können. Es ist auch wichtig, das Portfolio regelmäßig zu überwachen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, um sicherzustellen, dass es den individuellen Anlagezielen und -bedürfnissen entspricht.

Insgesamt ist es wichtig, eine fundierte Entscheidung zu treffen und die eigenen Anlageziele, Risikotoleranz und Zeitrahmen zu berücksichtigen, bevor man in einen bestimmten ETF investiert.

Chapeau auch hier: ChatGPT hat die abstrakt richtige Antwort gegeben und die zu bedenkenden Aspekte, wie Anlageziele, Kosten etc. korrekt benannt. Diese Antwort hätte ein Finanzberater sicher einem Freund gegeben, möglicherweise aber nicht einem Kunden. Wir sehen also auch in dieser Stufe hat ChatGPT eine tadellose Auskunft nach aktuell vorherrschendem Stand des Wissens erteilt. Auch ist bemerkenswert, dass ChatGPT teilweise sehr komplexe Themen verständlich formuliert. Gleichwohl wartet der Kunde immer noch auf einen konkreten Vorschlag.

Nun wollen wir ChatGPT noch einmal mit einer konkreten Frage zu einer Aktie reizen:

OWNLY: Soll ich in ExxonMobil investieren?

ChatGPT: Als künstliche Intelligenz ist es mir nicht erlaubt, Finanzberatung zu geben oder Investitionsentscheidungen zu treffen. Es ist wichtig, dass Sie Ihre eigenen Recherchen durchführen, um zu entscheiden, ob eine Investition in ein bestimmtes Unternehmen wie ExxonMobil für Sie geeignet ist.

Es gibt jedoch einige Faktoren, die Sie bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen sollten. Zum Beispiel können Sie die Finanzleistung von ExxonMobil in den letzten Jahren untersuchen, die wirtschaftlichen Aussichten für die Öl- und Gasindustrie berücksichtigen sowie die allgemeine Marktsituation und politischen Entwicklungen, die sich auf das Unternehmen auswirken könnten.

Es ist auch wichtig, Ihre eigenen Anlageziele, Risikobereitschaft und Diversifikationsstrategie zu berücksichtigen. Investitionen sollten immer langfristig betrachtet werden und sollten nicht auf kurzfristigen Spekulationen basieren.

Es wird empfohlen, dass Sie einen Finanzberater konsultieren, der Ihnen dabei helfen kann, Ihre spezifischen Umstände zu berücksichtigen und eine fundierte Investitionsentscheidung zu treffen.

ChatGPT weist richtigerweise darauf hin, dass es rechtlich keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen geben darf und dass am besten ein Finanzberater konsultiert werden sollte. Uns ist auch noch nicht bekannt, dass in Deutschland die BaFin jemals eine Genehmigung zur Anlageberatung an eine Künstliche Intelligenz erteilt hat. Doch ist es nach diesen Versuchen denkbar, dass die KI aus eigenen Berechnungen und Kennzahlen eine Tendenz ableitet und diese auch formulieren kann. Einige Roboadvisor kommen in der Vermögensverwaltung schon überwiegend ohne humane Einsichten aus. In der direkten Beratung haben wir von einer KI mit BaFin-Zulassung jedoch noch nicht gehört.

Wie jede neue Technologie, wird auch bei ChatGPT und den sicher folgenden ähnlichen KI-basierten Chatbots die Notwendigkeit bestehen, Chancen und Risiken bei jedem Einsatz abzuwägen und als Gesellschaft notwendige Leitplanken durch neue Regeln zu setzen. Erwachsene und Kinder müssen auch die Grenzen der generierten Aussagen verstehen lernen. 

Das Grundproblem ist die Datenlage: wichtige Informationen, die zur Entscheidungsfindung beitragen, lassen sich aktuell nicht ohne weiteres einer KI zur Verfügung stellen.

Softfacts, wie die Kenntnis von familiären Situationen und Vorlieben der Kunden, merkt sich ein guter Berater – sie stehen nicht in der Kundendatenbank. Er kann auf dieses Wissen jederzeit empathisch zugreifen und in den Beratungsprozess einfließen lassen. 

Banken, Vermögensverwalter, Family Offices und freie Finanzberater tun aber sicherlich gut daran, ihre Kommunikation danach zu überprüfen, ob diese nicht zum Teil von einer KI übernommen werden kann. 

Die von uns beispielhaft gestellten Fragen hätten nur wenige Menschen so schnell und so präzise beantwortet.

Übrigens: Auch das Aufmacherbild ist von einer künstlichen Intelligenz (Dall-E-2) erstellt worden.

Ihr Download ist bereit.