Zwischen Optimismus und Überzeugung: Der schmale Grat zwischen Planung und Übertreibung im Fundraising von Start-ups

Dr. Nicholas Ziegert

13. März 2025

Einleitung

Das Fundraising ist für Start-ups eine der wichtigsten Phasen ihrer Entwicklung. Es geht darum, Investoren von der Idee, dem Team und den Marktchancen zu überzeugen. Doch wie weit darf ein Start-up bei der Darstellung seiner Rahmendaten, Innovationen und Marktaussichten gehen? Wo endet die positive Darstellung und beginnt die Übertreibung – oder gar die Lüge? Dieser Artikel beleuchtet den schmalen Grad zwischen Planung, Übertreibung und Lügen im Fundraising, zeigt potenzielle Konflikte auf und gibt Empfehlungen für Start-ups und Investoren. Zudem wird ein Vergleich zu den strengen Anforderungen bei Börsengängen gezogen, wo falsche Angaben im Prospekt schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

Positive Darstellung vs. seriöse Rahmendaten

Start-ups stehen unter enormem Druck, Investoren zu überzeugen. Dabei ist es legitim, die Stärken des Unternehmens positiv darzustellen. Doch die Grenze zwischen einer optimistischen Darstellung und einer Übertreibung ist fließend. Ein Start-up, das seine Marktchancen als „revolutionär“ bezeichnet, obwohl es nur eine Nische bedient, oder das Umsatzprognosen präsentiert, die auf äußerst optimistischen Annahmen beruhen, bewegt sich bereits in einem Graubereich.

Ein klassischer Konflikt entsteht, wenn Start-ups ihre Innovationen oder Technologien als einzigartig darstellen, obwohl es bereits ähnliche Lösungen auf dem Markt gibt. Auch die Darstellung von Kundenbeziehungen oder Partnerschaften kann problematisch sein, wenn diese noch nicht vertraglich abgesichert oder nur in frühen Gesprächen sind. Investoren verlassen sich auf diese Angaben, um ihre Entscheidungen zu treffen, und falsche Informationen können zu Fehlinvestitionen führen.

Grenzfälle und rechtliche Risiken

Ein Grenzfall ist die Darstellung von „Soft Commitments“. Ein Start-up könnte behaupten, dass ein großer Kunde „kurz vor der Unterschrift“ steht, obwohl die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Solche Aussagen sind schwer zu überprüfen und können Investoren in die Irre führen. Ein weiterer Grenzfall ist die Verwendung von Hochrechnungen und Prognosen, die auf hypothetischen Annahmen basieren. Während es üblich ist, solche Prognosen zu erstellen, müssen sie klar als solche gekennzeichnet sein und auf nachvollziehbaren Annahmen beruhen.

Rechtlich gesehen können falsche oder irreführende Angaben im Fundraising schwerwiegende Folgen haben. Zwar gibt es im privaten Fundraising keine direkte Prospekthaftung wie bei einem Börsengang, aber dennoch können Investoren bei nachweislich falschen Angaben Schadensersatzansprüche geltend machen. Dies gilt insbesondere, wenn vorsätzlich getäuscht wurde. Ein bekanntes Beispiel ist der Fall der Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes, die in den USA wegen betrügerischer Angaben gegenüber Investoren verurteilt wurde.

Vergleich mit Börsengängen und Prospekthaftung

Bei einem Börsengang unterliegen Unternehmen strengen Regularien. Der Prospekt, der potenziellen Anlegern vorgelegt wird, muss alle relevanten Informationen enthalten, einschließlich der Risikofaktoren. Falsche oder unvollständige Angaben können zur Prospekthaftung führen, die sowohl das Unternehmen als auch die verantwortlichen Personen (z.B. Vorstände und Aufsichtsräte) trifft. Die Prospekthaftung soll sicherstellen, dass Anleger fundierte Entscheidungen treffen können.

Im Vergleich dazu ist das Fundraising bei Start-ups weniger reguliert. Dennoch sollten Start-ups die Prinzipien der Transparenz und Ehrlichkeit aus dem Börsenumfeld übernehmen. Denn auch im privaten Fundraising kann eine Täuschung rechtliche und reputative Konsequenzen haben. Investoren, die sich getäuscht fühlen, können Klagen einreichen, was nicht nur finanzielle, sondern auch imagebezogene Schäden für das Start-up nach sich ziehen kann.

Empfehlungen für Start-ups und Investoren

Für Start-ups: Ehrlichkeit und Transparenz.

Seien Sie ehrlich über den aktuellen Stand des Unternehmens, die Marktchancen und die Risiken. Übertreibungen mögen kurzfristig helfen, Investoren zu gewinnen, können aber langfristig das Vertrauen zerstören.

Kennzeichnen Sie Prognosen und Hochrechnungen klar als solche und stellen Sie die zugrunde liegenden Annahmen dar.

Vermeiden Sie vage Formulierungen wie „bald“ oder „in Kürze“ und seien Sie konkret, wenn es um Kundenbeziehungen oder Partnerschaften geht.

Für Investoren: Due Diligence und gesunder Menschenverstand

Führen Sie eine gründliche Due Diligence durch und überprüfen Sie die Angaben des Start-ups. Fragen Sie nach Belegen für Behauptungen und lassen Sie sich nicht von übertriebenen Versprechungen blenden.

Seien Sie skeptisch bei unrealistischen Prognosen und hinterfragen Sie die Annahmen, auf denen sie basieren.

Achten Sie auf die Reputation des Gründungsteams und prüfen Sie, ob es bereits frühere Konflikte oder rechtliche Auseinandersetzungen gab.

Für beide Seiten: Klare Kommunikation und Verträge

Sorgen Sie für klare und schriftliche Vereinbarungen, die die Erwartungen beider Seiten festhalten. Dies gilt insbesondere für die Darstellung von Rahmendaten und Prognosen.

Bauen Sie eine vertrauensvolle Beziehung auf, die auf Transparenz und Ehrlichkeit basiert. Ein erfolgreiches Fundraising ist der Beginn einer langfristigen Partnerschaft.

Fazit

Der schmale Grat zwischen Planung, Übertreibung und Lügen im Fundraising von Start-ups erfordert von beiden Seiten – Gründern und Investoren – ein hohes Maß an Verantwortung und Sorgfalt. Start-ups sollten sich an den Prinzipien der Transparenz und Ehrlichkeit orientieren, wie sie auch bei Börsengängen gelten. Investoren hingegen müssen kritisch hinterfragen und gründlich prüfen. Nur so kann eine vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit entstehen, die langfristig zum Erfolg des Start-ups beiträgt. Denn am Ende zählt nicht nur das Kapital, sondern auch die Glaubwürdigkeit und Integrität aller Beteiligten.

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